Korneaerosion, rezidivierende

Zusammenfassung

  • Definition:Etwa die Hälfte der Fälle entsteht innerhalb von Wochen bis Jahren infolge eines Hornhautschadens, bei dem die Basalmembran unterhalb des Korneaepithels verletzt wurde, ansonsten spontaner Erstauftritt.
  • Häufigkeit:Relativ häufig; häufiger bei Frauen und bei schlechtem Ernährungszustand
  • Symptome: Evtl. frühere Korneaverletzungen. Auftreten der Symptome meistens morgens, wenn der Patient die Augen öffnet (auch beim Erstauftritt). Fremdkörpergefühl, Tränenfluss.
  • Befunde: Injiziertes Auge, Blepharospasmus, Ulzerationen der Kornea (nachweisbar mit Fluoresceinfärbung)
  • Diagnostik: Bei rezidivierendem Verlauf zum Augenarzt überweisen. 
  • Therapie: Augenverbände; nächtliche Anwendung einer Augensalbe (oder Tropfen) als präventive Therapie. Augenärztliche Behandlung: Verbandlinsen und ggf. Laser oder Debridement in schwereren Fällen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Wird in der internationalen Literatur als Recurrent Corneal Erosion Syndrome bezeichnet.
  • Gekennzeichnet durch eine Störung der Basalmembran unterhalb des Korneaepithels mit schlechter Haftung und wiederholtem Abbau des Epithels.1
  • Kann sekundär nach Verletzungen oder spontan auftreten.
  • Die Evidenzgrundlage der Therapie-Empfehlungen ist spärlich.2

Häufigkeit

  • Relativ häufige Erkrankung, Inzidenz und Prävalenz sind jedoch unbekannt.2
  • Die Inzidenz einer rezidivierenden Korneaerosion mit traumatischer Ätiologie wird auf 1 pro 150 Fälle geschätzt.2
  • Häufiger in Entwicklungsländern, wo Ernährungsmängel zu einem beeinträchtigten Korneazustand führen können.1
  • Etwas häufiger bei Frauen1,3
  • Das Durchschnittsalter einer Auswahl von Patienten lag bei 45 Jahren.4

Ätiologie und Pathogenese

  • Wahrscheinlich wird molekulares Material, das aus der initialen Verletzung der Basalmembran (Bowman-Membran) stammt, in das Korneaepithel abgelagert. 
  • Dadurch sind die Epithelzellen nicht mehr wie normal an der Basalmembran befestigt.
  • In der Regel ist die Tränenflüssigkeit leicht hypotonisch, wenn die Augen während des Schlafens geschlossen sind. Die Epithelzellen der Kornea schwellen während der Nacht an. Bei rezidivierenden Korneaerosionen reißen diese angeschwollenen Zellen von der geschädigten Basalmebran ab, sobald die Augenlider am Morgen geöffnet werden.
  • In einer Studie mit 100 Patienten verteilten sich die Ursachen folgendermaßen:4
    • 39 %: frühere geringfügige Traumata
    • 17 %: epitheliale Korneadystrophie
    • 17 %: nach photorefraktiver Keratektomie
    • 8 %: nach einer LASIK
    • 19 %: unbekannte Ätiologie
    • Bei 59 % lag eine Dysfunktion der Meibom-Drüsen vor.
  • In einer weiteren Studie hatten 45 % der Patienten zuvor ein Trauma, 29 % eine epitheliale Korneadystrophie und 17 % beides.3

Prädisponierende Faktoren

  • Früheres Hornhauttrauma 
  • Vordere Basalmembrandystrophie des Korneaepithels1
    • Hauptsächlich Cogan-Dystrophie („Map-Dot-Fingerprint Dystrophy“)
    • 80–90 % der Fälle sind asymptomatisch.
    • Diagnose: Typisches Aussehen der Basalmembran mit Punktemuster und parallelen Linien, die Fingerabdrücken oder landkartenähnlichen Mustern ähneln.
      • Allerdings ist dieser Befund auch bei anderen Beschwerden und asymptomatischen Patienten zu finden.
  • Diabetes
  • Systemische Erkrankungen wie Epidermolysis bullosa5

ICPC-2

  • F79 Augenverletzung, andere

ICD-10

  • H18 Sonstige Affektionen der Hornhaut
    • H18.8 Sonstige näher bezeichnete Affektionen der Hornhaut

Diagnostik

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese und klinische Befunde

Differenzialdiagnosen

  • Keratitis

Anamnese

  • Die Hälfte der Patienten hat eine erkannte frühere Korneaverletzung, z. B. Kratzer von Fingernägeln oder Zweigen.
  • Es kann wenige Wochen bis Jahre dauern, bis sich eine leichte Fremdkörperreaktion im verletzten Auge bildet, zuweilen aber auch ohne erkanntes Trauma.
  • Einige Tage später erwacht der Patient mit einer kräftigen Fremdkörperreaktion und anderen Symptomen, die denen einer neu entstandenen Korneaverletzung ähnlich sind.
    • Oft können sich die Patienten gar nicht an eine ursprüngliche Verletzung erinnern.
  • Tritt meistens auf, sobald die Patienten die Augen am Morgen öffnen, oder sie wachen aufgrund von Schmerzen in der Nacht auf.
    • Das Epithel wird beim Öffnen des Augenlides oder auch beim Augenreiben abgerissen.
  • Schmerzen, Photophobie und Tränenfluss treten oft morgens unmittelbar nach dem Wachwerden auf.
    • Dauern weniger als eine Stunde bis mehrere Tage an.
  • Die Patienten sehen möglicherweise auch verschwommen oder mit beeinträchtigter Sehschärfe. 

Klinische Untersuchung

  • Oberflächenanästhesie und Fluoreszeinfärbung erleichtern die Untersuchung.
  • Injiziertes Auge, oft konjunktival, zuweilen gemischt
  • Blepharospasmus
  • Die Erosion kann im Vergleich zum Rest der spiegelnden und glatten Korneaoberfläche matt aussehen.
    • Die Veränderungen sind nach einer Fluoreszeinfärbung deutlicher zu sehen.
    • Oft sind die rezidivierenden Epitheldefekte sehr klein und ohne Spaltlampe schwer zu erkennen.
    • Die Erosionen befinden sich meistens am unteren parazentralen Drittel der Kornea.34
  • Immer auf Fremdkörper untersuchen, auch an der Innenseite des oberen Augenlids.
  • Die Patienten können auch Astigmatismus oder epitheliale Bläschen haben.1

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdachtsdiagnose oder unzureichender Wirksamkeit der Standardbehandlung

Therapie

Therapieziele

  • Vollständige Heilung
  • Prävention von Rezidiven

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapieempfehlungen beruhen auf einer schwachen Forschungsbasis mit schlechter Qualität.2
  • Eine Standardbehandlung wie bei einer einfachen Korneaerosion kann versucht werden.2
    • Die neuere Forschung zeigt jedoch, dass Augenverbände oder Antibiotikasalben weder die Heilung beschleunigen noch für eine Schmerzlinderung sorgen (Ia).5
  • Die meisten Patienten mit rezidivierenden Korneaerosionen sprechen an auf:1
    • eine topikalische Lubrikation
    • Verbandlinsen
    • ein Debridement von Epithel und Basalmembran
    • eine vordere stromale Mikropunktion.

Empfehlungen für Patienten

  • Immobilisierung des Augenlids 
    • Ständiges Blinzeln verzögert oder verhindert das Abheilung von Epitheldefekten.

Medikamentöse Therapie

  • Bei einer akuten Erosion mit Symptomen besteht die Standardbehandlung aus antibiotikahaltiger Salbe kombiniert mit komprimierenden Augenverbänden.1
    • Den Salbenverband so straff anlegen, dass sich das Augenlid nicht öffnen lässt.
    • Der Verband sollte 12–24 Stunden angelegt verbleiben.
    • danach tagsüber Tropfen und abends Salbe
  • Therapeutische Kontaktlinsen/Verbandlinsen können sehr wirksam sein.
    • Sie können aber relativ häufig erhebliche Schmerzen verursachen.
    • Am besten mit antibiotikahaltigen Augentropfen kombinieren.
    • Für eine dauerhafte Heilung sollten Kontaktlinsen mindestens 6 Wochen lang getragen werden.
    • Die Kontaktlinsenbehandlung lässt sich evtl. auch mit der mechanischen Entfernung des Epithels im affizierten Bereich kombinieren.

Weitere Therapien

  • Wenn die medizinische Behandlung zu keinem Erfolg führt, hat der Augenarzt 3 operative Möglichkeiten:
    1. Das Epithel debridieren und eine therapeutische Kontaktlinse auf das Auge legen, um eine optimale Heilung zu gewährleisten.
      • Mit antibiotikahaltigen Augentropfen kombinieren.
    2. Mikropunktionen der Kornea im Bereich der rezidivierenden Erosionen
    3. Behandlung mit Excimerlaser für eine phototherapeutische Keratektomie im affizierten Bereich
      • Ist bei länger andauernden und/oder erheblichen Beschwerden wahrscheinlich das wichtigste und wirksamste Behandlungsverfahren.
      • Allerdings ist eine dauerhafte Besserung nicht immer gegeben.
  • Es fehlen Studien, die die Erfolgsquote bestätigen. Die Behandlung mit Mikropunktion, Debridement, Excimerlaser usw. wird im Allgemeinen jedoch mit „sehr gut“ bezeichnet.1

Präventive Maßnahmen

  • Morgens die Augen möglichst nicht reiben.
  • Nächtliche Anwendung einer Augensalbe?
    • Theoretisch schmiert die Augensalbe gut und verhindert ein Austrocknen.
    • Möglich ist auch die Verwendung von hypertonischer Salbe, um einem Korneaödem vorzubeugen.
    • Die Evidenzgrundlage ist jedoch schwach. Ein Cochrane-Bericht fasst Folgendes zusammen:2
      • keine Unterschiede bei der Symptombesserung zwischen Paraffinsalbe und hypertonischer Kochsalzlösung
      • Die abendlich aufgetragene Augensalbe bei einer Fingernagelverletzung war mit erhöhten Symptomen einer rezidivierenden Korneaerosion assoziiert.
  • Ciclosporinhaltige Augentropfen?
    • Klinische Erfahrungen haben auch gezeigt, dass die längere Anwendung von ciclosporinhaltigen Augentropfen eine gute präventive Wirkung bezügl. rezidivierender Korneaerosionen hat.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Bei einem milden Verlauf verheilen Korneaerosionen spontan und innerhalb von Stunden.
  • Meistens ist jedoch eine Behandlung notwendig. 
  • Bei rezidivierenden Korneaerosionen ist der Verlauf meistens längerdauernd als bei anderen Korneaerosionen.

Komplikationen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Korneale Narbenbildung, die über kurz oder lang zu einer Verringerung des Sehvermögens führen können.
  • Infektiöse Keratitis

Prognose

  • Die Prognose ist über einige Jahre sehr gut.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Verma A. Recurrent Corneal Erosion. Medscape Emedicine. Last updated Sep 22, 2016 emedicine.medscape.com
  2. Watson SL, Lee MHH, Barker NH. Interventions for recurrent corneal erosions. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 9. Art. No.: CD001861. DOI: 10.1002/14651858.CD001861.pub3. DOI
  3. Reidy JJ, Paulus MP, Gona S. Recurrent erosions of the cornea: epidemiology and treatment. Cornea 2000; 19: 767-71. pmid:11095047 PubMed
  4. Diez-Feijóo E, Grau AE, Abusleme EI, Durán JA. Clinical presentation and causes of recurrent corneal erosion syndrome: review of 100 patients. Cornea 2014; 33: 571-5. pmid:24699561 PubMed
  5. Turner A, Rabiu M. Patching for corneal abrasion. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 2. Art. No.: CD004764. DOI: 10.1002/14651858.CD004764.pub2. DOI

Autoren

  • Trine Hessevik Paulsen, allmennlege og redaksjonsmedarbeider i NEL
  • Johan H. Seland, professor emeritus, Universitetet i Bergen
  • Anders Behndig, professor och överläkare, Ögonkliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå (Medibas)
  • Knut A. Holtedahl, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Universitetet i Tromsø

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