Weitsichtigkeit, Hypermetropie

Zusammenfassung

  • Definition:Weitsichtigkeit (Hyperopie, Hypermetropie) ist eine Fehlsichtigkeit, bei der scharfes Sehen im Nahbereich eingeschränkt ist.
  • Häufigkeit:Es handelt sich um einen sehr häufigen Sehfehler.
  • Symptome:Bei Kindern und Jugendlichen treten kaum Symptome auf. Mit zunehmendem Alter geht das Sehvermögen im Nahbereich verloren.
  • Diagnostik:Zur Diagnostik ist eine Refraktionsbestimmung erforderlich.
  • Therapie:Die Korrektur ist durch eine Brille, Kontaktlinsen, eine Laserbehandlung oder einen Austausch der Linse möglich.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Weitsichtigkeit (Hyperopie, Hypermetropie) ist eine Fehlsichtigkeit, bei der scharfes Sehen im Nahbereich eingeschränkt ist. 
  • Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Bildlage bei nicht akkommodiertem Auge hinter der Retina befindet. Um ein scharfes Bild zu erzielen, muss der Brennpunkt aktiv nach vorn zur Netzhaut verlagert werden.
    • Dies kann entweder durch Akkomodation geschehen, indem die Brechkraft der Linse erhöht wird, oder indem eine konkave Linse (Sammellinse) vor dem Auge platziert wird.
  • Latente Hypermetropie
    • Bei leichteren Formen der Hypermetropie kann der Brechungsfehler in jungen Jahren durch die Akkommodation ausgeglichen werden. 
  • Manifeste Hypermetropie
    • Hier kann die Hypermetropie nicht mehr durch die Akkommodation korrigiert werden, da die Abweichung entweder zu groß oder die Linse nicht elastisch genug ist.
  • Die Hypermetropie begünstigt einen Strabismus. Zudem besteht das Risiko einer Amblyopie.

Häufigkeit

  • Refraktionsfehler sind in der allgemeinen Bevölkerung häufig. Es ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, genaue Werte über die Prävalenz der verschiedenen Arten von Refraktionsfehlern (Myopie, Hyperopie, Astigmatismus, irreguläre Fehler) anzugeben, da deren Häufigkeit ganz wesentlich von der Definition der Einschlusskriterien abhängt.1
  • Wichtig ist, dass die Refraktion sich im Laufe des Lebens ändert. Während beim Kleinkind zunächst eine Hyperopisierung zu beobachten ist, kommt es beim Jugendlichen zum gegenteiligen Effekt, nämlich zu einer Myopisierung, im mittleren Lebensalter, zwischen 20 bis 40 Jahren, bleibt die Refraktion in der Regel stabil, ab dem 40. Lebensjahr tritt mit zunehmendem Alter neben dem Phänomen der Presbyopie eine leichte Hyperopisierung ein.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Grund für die Hypermetropie kann – wie dies bei einigen angeborenen Erkrankungen der Fall ist – eine verminderte Achsenlänge (axiale Hyperopie) oder aber eine eingeschränkte Brechkraft des Auges (refraktive Hyperopie) sein.
  • Ist die Hypermetropie nicht zu stark ausgeprägt, können die Betroffenen in jungen Jahren in der Ferne scharf sehen, indem sie das Auge akkommodieren – wie dies ein gesundes Auge beim Lesen tut.
  • Durch eine noch stärkere Akkommodation können junge Menschen mit Hypermetropie auch im Nahbereich scharf sehen. Dazu ist jedoch eine deutlich stärkere Akkommodation nötig als bei Personen mit normalem Sehvermögen.
  • Diese übermäßige Akkommodation kann das Auge ermüden, insbesondere bei langem Arbeiten im Nahbereich wie z. B. beim Lesen oder Schreiben. Mögliche Folgen sind Missempfindungen und Erschöpfung der Augen sowie Kopfschmerz.
  • Wie stark die Hypermetropie ausgeprägt sein kann, ohne dass Symptome auftreten, ist von Person zu Person unterschiedlich.
  • Mit dem Alter nimmt die Fähigkeit des Auges zur Akkommodation ab (Presbyopie), und damit sinkt auch die Toleranz gegenüber einer Hypermetropie.
    • Kinder haben eine Akkommodationsbreite von 10–12 dpt, dieser Wert nimmt mit dem Alter jedoch ab.
  • Bei schwereren Formen der Hypermetropie ist das Auge nicht mehr in der Lage, den Brechungsfehler durch Akkommodation auszugleichen – es liegt eine manifeste Hypermetropie vor.
  • Infolge des erhöhten Akkommodationsbedarfs ist bei Kindern mit Hypermetropie deutlich häufiger ein Strabismus convergens zu beobachten.
  • Bei schwerer Hypermetropie liegt häufig auch eine Amblyopie vor, da es Kindern insbesondere beim Sehen im Nahbereich nicht gelingt, die Akkommodation ausreichend lange aufrechtzuerhalten, sodass sich die normale Sehkraft nicht entwickeln kann.

ICPC-2

  • F91 Refraktionsfehler

ICD-10

  • H52 Akkommodationsstörungen und Refraktionsfehler
    • H52.0 Hypermetropie

Diagnostik

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Erfragen Sie die subjektiven Störungen des Patienten.
  • Bisweilen sind die Symptome unklar und bedürfen einer gezielten Nachfrage durch den Augenarzt.
  • Dies gilt vor allem für Patienten beim Übergang zum beginnenden Presbyopenalter, die vielfach die asthenopischen Beschwerden, die mit der fehlenden Nahkorrektur einhergehen, fehldeuten und keinen Zusammenhang zu einer fehlenden oder besseren optischen Korrektur herstellen.
  • Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Erhebung der allgemeinen ophthalmologischen Anamnese, insbesondere die Frage nach dem Vorliegen einer früheren Schielerkrankung im Kindesalter, Frage nach einer Teilzeitokklusion etc.

Klinische Untersuchung

  • Die Diagnose wird anhand einer Refraktionsbestimmung gestellt.
  • Leichtere Hypermetropien können unentdeckt bleiben, wenn bei der Untersuchung keine Konvexlinsen eingesetzt werden bzw. die Akkomodationsfähigkeit (meist in jüngerem Alter bei elastischer Linse) gut erhalten ist.

Therapie

Therapieziele

  • Brechungsfehler korrigieren.
  • Komplikationen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Kinder
    • Bei Kindern mit Hypermetropie, die keine Beschwerden haben, ist häufig keine Therapie erforderlich.
    • Bei schwererer Hypermetropie ist in der Regel – zumindest für Arbeiten im Nahbereich – eine Brille erforderlich.
    • Liegt ein Strabismus convergens und/oder eine Amblyopie vor, erfolgt stets eine vollständige Korrektur mithilfe einer Brille.
  • Erwachsene
    • Jüngere Erwachsene benötigen zunächst eine Lesebrille, später auch eine Fernbrille.
  • Nicht immer kann mittels einer optischen Korrektur eine optimale Sehschärfe erreicht werden, selbst wenn dies aus optischen Gründen prinzipiell möglich wäre. Oftmals wird eine optische Korrektur nicht toleriert aufgrund eines hohen Astigmatismus mit Verzerrung der räumlichen Wahrnehmung und Störungen des beidäugigen Sehens, sodass oft nur eine Teilkorrektur eines Refraktionsfehlers durchgeführt werden kann. Nicht jede theoretisch mögliche optische Korrektur wird von den Patienten toleriert und führt tatsächlich zu einer Verbesserung der Sehschärfe. Bei der Bestimmung einer optischen Korrektur bei Vorliegen von Refraktionsfehlern müssen daher neben rein optischen Gesichtspunkten auch physiologisch-ärztliche-optische Überlegungen zum Binokularsehen einfließen.1

Weitere Therapien

Brille 

  • Die Weitsichtigkeit wird mit einer konvexen Linse (Sammellinse) korrigiert. Die Stärke der Brillengläser wird bei Weitsichtigkeit in Dioptrien mit vorgestelltem Plus angegeben.
  • Die Hypermetropie liegt häufig in Kombination mit einem Astigmatismus vor. Dies sollte bei der Anwendung von Brillen/Kontaktlinsen für das Sehen in der Ferne berücksichtigt werden. 

Kontaktlinsen

  • Kontaktlinsen stellen insbesondere bei aktiven jüngeren Menschen mit Hypermetropie eine Alternative dar.

Refraktive Hornhautchirurgie2

  • Die Verfahren, bei denen zur Fehlsichtigkeitskorrektur ein Excimer-Laser zur Anwendung kommt, gliedern sich in Verfahren zur Oberflächenbehandlung und lamelläre Behandlungsverfahren. 
  • Zu den Oberflächenbehandlungen gehören die photorefraktive Keratektomie (PRK), die Laser-subepitheliale Keratomileusis (LASEK) sowie die Epi-LASIK. Der Abtrag des Hornhautgewebes mit dem Excimer-Laser erfolgt bei diesen 3 Behandlungen direkt unter dem Epithel, der äußersten Schicht der 5-schichtigen Hornhaut. Das Hornhautepithel wird vorher entweder mechanisch, chemisch oder mithilfe eines Lasers entfernt (bei der PRK) oder mit einer Alkohollösung (bei der LASEK) bzw. einem
    Mikrokeratom (bei der Epi-LASIK) von der Unterlage abgelöst und nach der Behandlung wieder zurückgelegt.
    • Die Excimer-Laser-Verfahren werden zur Korrektur von Myopien bis –8 dpt (LASIK für Myopien bis maximal –10 dpt), Hyperopien bis +4 dpt und Astigmatismen bis 5 dpt angewendet.
  • Die Kombination eines lamellierenden stromalen Hornhautschnittes mit einer Excimer-Laser-Ablation bezeichnet man als Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK). Hierbei wird mit einem Mikrokeratom oder einem Femtosekundenlaser eine dünne Hornhautlamelle (Flap) geschnitten und nach oben geklappt. Im Unterschied zu den Oberflächenbehandlungen erfolgt der Laserabtrag in einer tieferen Hornhautschicht, dem vorderen Stroma. Die Ablation zur Korrektur der Hyperopie erfolgt in der Hornhautperipherie, sodass die Krümmung der zentralen Hornhaut verstärkt und die Hornhautbrechkraft erhöht wird. Nach dem Abtrag wird die Lamelle an ihre ursprüngliche Stelle zurückgeklappt, wo sie infolge von Adhäsionskräften und dem Pumpeffekt des Endothels selbstständig an der Hornhaut anhaftet und innnerhalb weniger Stunden anwächst.

Refraktive Linsenchirurgie2

  • Die Implantation einer künstlichen Linse (Intraokularlinse) in das Auge kann zusätzlich zur natürlichen Augenlinse (phake Intraokularlinse, PIOL) oder mit Entfernung der natürlichen Augenlinse als refraktiver Linsenaustausch erfolgen. Diese Methoden lassen die Hornhaut unberührt und sind insbesondere bei hohen Fehlsichtigkeiten und Hornhautpathologien vorteilhaft.
  • Der refraktive Linsenaustausch wird vor allem bei älteren Patienten (ab 50 Jahren), die eine fortgeschrittene Presbyopie aufweisen, und zur Korrektur stärkerer Myopien und Hyperopien angewendet.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Refraktäre Chirurgie2
    • Keratokonjunctivitis sicca (meist vorübergehend)
    • Infektionen (sehr selten)
    • Keratektasie (Vorwölbung der Hornhaut, sehr selten)
    • Endothelzellverlust der Hornhaut (bei PIOL)
    • Katarakt (5–10 % nach 5 Jahren bei PIOL) 
    • regeneratorischer oder fibrotischer Nachstar
    • zystoides Makulaödem (bei RLA in den ersten postoperativen Wochen)
    • Netzhautablösung (bei RLA bei hoher Fehlsichtigkeit)
  • Strabismus
    • Infolge des erhöhten Akkommodationsbedarfs ist bei Kindern mit Hypermetropie deutlich häufiger ein Strabismus convergens zu beobachten.
  • Amblyopie
    • Bei schwerer Hypermetropie liegt häufig auch eine Amblyopie vor, da es den Kindern insbesondere beim Sehen im Nahbereich nicht gelingt, die Akkommodation ausreichend lange aufrechtzuerhalten, sodass sich die normale Sehkraft auf einem Auge nicht entwickeln kann.
  • Winkelblockglaukom
    • Winkelblockglaukome sind bei stark ausgeprägter Hypermetropie aufgrund der flachen Vorderkammer und des engen Kammerwinkels gehäuft zu beobachten.

Verlaufskontrolle

  • Die Prävalenzzahlen belegen, dass die Refraktion des Auges im Laufe des Lebens dynamischen Veränderungen unterworfen ist.
  • Deshalb sollte das Sehvermögen regelmäßig untersucht und die Korrektur ggf. angepasst werden.
  • Operative Eingriffe sind eine noch relativ junge Methode zur Korrektur von Brechungsfehlern. Bei Augen mit stabiler Refraktion lassen sich damit die besten Ergebnisse erzielen.
  • Eine Refraktionierung ist bei den meisten zugelassenen Optikern möglich.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Kurzsichtigkeit (Myopie)
Kurzsichtigkeit (Myopie)
Weitsichtigkeit (Hypermetropie)
Weitsichtigkeit (Hypermetropie)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Empfehlung zur optischen Korrektur von Refraktionsfehlern: Brille. Stand 2011. www.augeninfo.de

Literatur

  1. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Empfehlung zur optischen Korrektur von Refraktionsfehlern: Brille. Stand 2011. augeninfo.de
  2. Kohnen T, Strenger A, Klaproth OK. Basiswissen refraktäre Chirurgie. DschArztebl 2008. www.aerzteblatt.de

Autoren

  • Miriam Spitaler, Dr. med. univ., Ärztin für Allgemeinmedizin, Innsbruck/Österreich
  • Johan H. Seland, professor emeritus, Universitetet i Bergen
  • Anders Behndig professor och överläkare, Ögonkliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå (Medibas)

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