Chalazion (Hagelkorn)

Zusammenfassung

  • Definition:Chronisches steriles Lipogranulom im Bereich einer Meibom-Drüse, das sich als langsam wachsendes, nicht druckempfindliches Knötchen am Augenlid manifestiert.
  • Häufigkeit:Sehr häufig.
  • Symptome:Schmerzloses, langsam wachsendes Knötchen am Augenlid.
  • Befunde:Nicht druckschmerzhaft, nicht gerötet, nicht fluktuierend.
  • Diagnostik:Inspektion, Palpation, bei Rezidiven ggf. Biopsie zum Ausschluss von Malignität; bei unklarem Befund augenärztliche Untersuchung.
  • Therapie:Warme Kompressen, Lidmassage und Reinigung mit Babyshampoo führen in der Regel innerhalb eines Monats zur Abheilung. Bei ausbleibender Besserung Überweisung zu Kortikoidinjektion oder operativer Therapie. Antibiotika sind in der Regel nicht indiziert.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Ein Chalazion ist ein chronisches steriles Lipogranulom und manifestiert sich als langsam wachsendes, nicht druckempfindliches Knötchen am Augenlid.1
  • Basiert auf einer chronischen Entzündung einer Meibom-Drüse.1-2 
  • Chalazia sind typischerweise gutartig und selbstlimitierend.1

Häufigkeit

  • Häufige entzündliche Läsion des Augenlids, genaue Angaben zur Häufigkeit fehlen.1
  • Häufiger bei Erwachsenen im Alter von 30–50 Jahren1-2

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Meibom-Drüsen liegen im Tarsus palpebrae eingebettet.1
  • Verstopfung der Meibom-Drüsen des Oberlids und Freisetzung von Talg in das Tarsus-Gewebe1-2
    • z. B. sekundär nach mechanischer Obstruktion des Drüsenausgangs durch ein Hordeolum oder aufgrund einer Dysfunktion der Meibom-Drüse mit nachfolgender Stase und Freisetzung von Talg
  • Granulomatöse Entzündungsreaktion (Fremdkörperreaktion) gegen Talg und lipophile Abbauprodukte, die in das umgebenden Gewebe der Meibom-Drüsen ausgetreten sind.1-2  
    • chronische, nichtinfektiöse Entzündung
  • Normalerweise dehnt sich die Schwellung zur konjunktivalen Seite des Tarsus aus, kann auch zu Schwellungen auf die Außenseite des Lids führen.1
  • Eine Superinfektion ist möglich.1

Disponierende Faktoren

ICPC-2

  • F72 Blepharitis/Hagelkorn/Gerstenkorn

ICD-10

  • H00.1 Chalazion

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der klinische Befund ist ausschlaggebend für die Diagnose: Schmerzlose Schwellung am Lid, die sich über Wochen und Monate entwickelt hat.1
  • Malignität sollte bei Rezidiven ausgeschlossen werden.1-2

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Schmerzlose Schwellung am Lid, die sich über Wochen und Monate entwickelt hat.1-2
    • Unterscheidung von Hordeolum internum: Dieses ist schmerzhaft.
    • manchmal beeinträchtigtes Sehen durch die Schwellung
    • Bei Entzündung oder Infektion treten Schmerzen auf.
    • häufig bereits wiederholte Chalazia in der Vorgeschichte
  • Reiseanamnese (zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen)1
  • Chronische Hauterkrankungen?3

Klinische Untersuchung

  • Typischer Befund1-2
    • kugelige Schwellung des Lids, Größe unter 1 cm
    • meist Einzelläsion am Oberlid, Vorkommen am Unterlid oder multiple Läsionen möglich
      • nicht am Lidrand gelegen
    • tastbar, nicht druckempfindlich, nicht fluktuierend, keine Rötung
    • allenfalls leichte Entzündungsreaktion
  • Akute Sehveränderungen oder Augenschmerzen, Fieber, Störung der Augenmotilität und diffuse Lid- oder Gesichtsschwellung deuten auf andere Differenzialdiagnosen hin und sollten weiter abgeklärt werden.1-2

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • In der Augenarztpraxis1-3
    • Visusprüfung
    • Spaltlampenuntersuchung von Lidern, Lidkanten, Bindehaut, Hornhaut, Tränenfilm und -meniskus
    • bei Bulbusschmerzen: Untersuchung der Hornhaut mit Fluorescein
    • zum Ausschluss von Malignität und anderer Differenzialdiagnosen: ggf. Biopsie  
  • CT2
    • bei unklarem, diffusem Befund: zum Ausschluss schwerwiegender Erkrankungen wie einer Orbitaphlegmone

Indikationen zur Überweisung an Augenarztpraxis

  • Diagnostische Unsicherheit
  • Fehlende Besserung unter konservativer Behandlung für 1 Monat: Überweisung zur Kortikosteroidinjektion oder zur operativen Behandlung1-2
  • Bei größeren zentral gelegenen Chalazia frühzeitige Überweisung zur chirurgischen Sanierung1
  • Bei Rezidiven: Überweisung zur Biopsie und Ausschluss von Maliglität2 
  • Infektion1

Therapie

Therapieziel

  • Besserung der Symptomatik

Allgemeines zur Therapie

  • > 50 % der Chalazia heilen spontan ab.2
  • Initial konservatives Vorgehen mit warmen Kompressen, Lidreinigung und Lidmassage1
  • Die meisten Chalazia bilden sich innerhalb eines Monats unter konservativen Maßnahmen zurück.1-2
    • bei fehlender Besserung innerhalb eines Monats: Überweisung an Augenärzt*in zur Kortikosteroidinjektion oder operativen Behandlung
  • Antibiotika sind nicht routinemäßig indiziert.1-2,4
  • Chirurgische Intervention bei großen zentral gelegenen Läsionen, Wandern der Läsion oder fehlender Besserung unter konservativen Maßnahmen1-3

Empfehlungen für Patient*innen

  • Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5
  • Warme Kompressen auf das betroffene Auge 4–5 x tgl. für 10–15 min
    • Zum Herstellen einer warmen Kompresse Lappen/Waschlappen in warmes Wasser tunken und auswringen; immer wieder anfeuchten zum Warmhalten.
  • Sanfte Massage des Augenlids für mehrere Minuten jeden Tag, um das Auslaufen des angestauten Talgs zu erleichtern.
  • Wenn das Chalazion von selbst „ausläuft“, Augenlid sauber halten und nicht hinfassen.
  • Nicht versuchen, das Chalazion auszudrücken.
  • Augen-Makeup täglich vor dem Zubettgehen entfernen und Schminkutensilien regelmäßig (alle 3 Monate) erneuern.
  • Gute Kontaktlinsenhygiene, Händewaschen vor dem Entfernen von Kontaktlinsen und generell vor Berührung des Augenbereichs

Medikamentöse Behandlung

  • Behandlung durch Augenärzt*in2
  • Bei fehlendem Nachweis einer Infektion und ausbleibender Besserung1-2
    • intraläsionale Kortikosteroidinjektion kann versucht werden:
      • Triamcinolon 40 mg/ml 0,2–2,0 ml
      • Wiederholung bei größeren Läsionen nach 2–7 Tagen
      • ähnliche Erfolgsrate wie eine Kürettage
  • Nur bei Infektion1
    • Docycyclin 100 mg p. o. 2 x tgl.
    • alternativ: Metronidazol

Weitere Behandlungsformen

  • Konservativ1-2
    • Warme Kompressen auf das betroffene Lid 4–5 x tgl. für 10–15 min
    • Lidmassage und evtl. Reinigung mit Babyshampoo können möglicherweise hilfreich sein.
    • Diese Maßnahmen können helfen, die Obstruktion der Meibom-Drüsen zu lösen und den Talgabfluss wiederherzustellen.
  • Operativ1,3
    • Indikation: persistierende, große oder wandernde Läsionen; Druckgefühl; durch das Chalazion induzierter Astigmatismus
    • bessere Ergebnisse bezüglich der Rezidivhäufigkeit bei konservativen Maßnahmen, gleichwertig zur Kortikosteroidinjektion2  
    • kleines Chalazion: Kürettage
    • größeres Chalazion: Exzision

Prävention

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Spontane Abheilung in > 50 % der Fälle2
  • Meist Abheilung unter konservativer Therapie innerhalb eines Monats

Komplikationen

  • Infektion1
  • Sehstörung durch Korneaschäden bei großen Chalazia über 5 mm1
    • Verschlechterung oder Induktion von Astigmatismus3

Prognose

  • Sehr gut1
    • meist Abheilung unter konservativen Maßnahmen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Illustrationen

Chalazion.png
Chalazion (Quelle: Wikimedia Commons)

Quellen

Literatur

  1. StatPearls. Chalazion. Stand 07.07.2022. (letzter Zugriff am 28.07.2022). www.statpearls.com
  2. BMJ BestPractice. Stye and chalazion. Stand 28.06.2022. (letzter Zugriff am 28.07.2022) bestpractice.bmj.com
  3. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Leitlinie Nr. 10. Hordeolum/Chalazion. Stand: 2011. augeninfo.de
  4. Alsoudi AF, Ton L, Ashraf DC, Idowu OO, Kong AW, Wang L, Kersten RC, Winn BJ, Grob SR, Vagefi MR. Efficacy of Care and Antibiotic Use for Chalazia and Hordeola. Eye Contact Lens. 2022 Apr 1;48(4):162-168. doi: 10.1097/ICL.0000000000000859. PMID: 35296627; PMCID: PMC8931268. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. American Optometric Association. Chalazion. o. D. (letzter Zugriff am 28.07.2022) www.aoa.org

Autorin

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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